09.11.2014

Review: Interstellar

Nun ist er endlich erschienen: Interstellar, der von Kritikern und Fans heiß ersehnte nächste Blockbuster von Regisseur Christopher Nolan (Dark Knight Trilogie, Inception) ist ab sofort in den Kinos zu sehen. Basierend auf einem Drehbuch von Nolans Bruder Jonathan (der ja auch Christopher Nolans Film Memento geschrieben hat), war zunächst geplant, dass niemand geringeres als Stephen Spielberg Regie führen sollte. Der plante bereits vor vielen Jahren einen Film zu drehen, der auf den Theorien des Physikers Kip Thorne basiert (ein großer Teil der Ideen aus Interstellar stützen sich auf dessen Theorien über Raum und Zeit). Dies wurde jedoch nie verwirklicht, sodass Christopher Nolan letztendlich selbst in der Lage war den Film nach seinen Vorstellungen umzusetzen. 

Doch ist das neue, hoch ambitionierte Projekt tatsächlich der Kracher, den man sich von einem "Nolan-Film" verspricht? Oder sind die vielen Vergleiche mit Stanley Kubricks 2001 - Odyssee im Weltraum übertrieben? Viele Fragen dieser Art plagen die Kinogänger schon seit Monaten, da das veröffentlichte Promo-Material für den Film die Geschichte stets in geheimnisvollen Andeutungen hüllt, ohne zu verraten, worauf man sich bei diesem knapp 3 stündigen Film überhaupt einlässt. Ich habe mir den Film angeschaut und möchte euch an dieser Stelle einen ausführlichen Bericht über meine Eindrücke machen. Ich werde versuchen, die Spoiler auf ein Minimum zu reduzieren, übernehme allerdings keine Garantie!


Interstellar handelt von einer nahen Zukunft, in der die Erde immer weniger Nahrung für die gesamte Bevölkerung bereitstellen konnte. Es wird ziemlich klar, dass die Menschheit ihrem unausweichlichen Ende entgegen steuert und bisher versuchte Lösungsansätze eben dieses Ende nur noch mehr schlecht als recht hinauszögern. Doch die nun privatisierte NASA entdeckte noch eine andere Möglichkeit die Menschheit zu retten. Natürlich ist die Rede von der Suche nach einem neuen Planeten, der in der Lage ist den Menschen als neue Heimat zu dienen. Dies rückt in den Bereich des "Möglichen", als Wissenschaftler ein Wurmloch entdeckten, durch welches sie in eine weit entfernte Galaxie reisen können. Hier kommt dann unsere Hauptfigur Cooper, gespielt von Matthew McConaughey (Dallas Buyers Club, True Detective) ins Spiel, da dieser, nun ein Familienvater und Farmer, früher ein sehr talentierter Astronaut gewesen ist. Auf der Suche nach einem neuen Zuhause für die Menschheit, lässt dieser dann seine Familie zurück, um sich auf die Reise zu machen. Dass dann natürlich viele unvorhergesehene Dinge passieren, sollte bei einem Film von Christopher Nolan kaum verwundern. 

Kaum verwundern wird auch die Tatsache, dass Nolan hier mit Stilmitteln arbeitet, die wir von ihm bereits in gewisser Weise kennen. Wie bei Inception geht es auch in Interstellar im Kern um ein intimes Familiendrama, welches auf einer deutlich größeren, im Falle von Interstellar sogar intergalaktisch großen, Leinwand gemalt wird. Der Unterschied: in Interstellar wirkt die Geschichte, in der es relativ offen erkennbar darum geht, wie die Liebe als "Kraft" im Universum in der Lage ist Raum und Zeit (im physikalischen Sinne) zu überwinden, glaubhaft erzählt. Natürlich backen wir bei einem Christopher Nolan Film auf der emotionalen Ebene in der Regel eher mit kleineren Brötchen (oftmals wird ihm nachgesagt er sei der asexuellste Regisseur der letzten Jahre - wenige Argumente lassen sich finden um diese Behauptung abzuweisen), jedoch bin ich erstaunt wie einnehmend das Verhältnis zwischen McConaugheys Charakter und dessen Tochter dargestellt wurde. Speziell in einer Szene des Films, in der unsere Hauptfigur durch die Relativitätstheorie im Weltraum damit konfrontiert wird, wie er ein immenser Teil des Lebens seiner Kinder verpasst hat, beweist fast komplett ohne Worte, warum Matthew McConaughey ein so fabelhafter Schauspieler ist.

Großartige schauspielerische Leistungen sieht man auch von Jessica Chastain, Anne Hathaway, Wes Bentley und Michael Caine, die natürlich stets ganz gut sind, in einem Film von Nolan jedoch erst recht glänzen. Auch wenn mir beizeiten die Figur von Anne Hataway, sie spielt im Film eine Astronautin in Coopers Team, die auf verschiedene Ebenen auch emotional an die Expedition gebunden ist, nicht ganz so gut gefallen hat, spielte sie gewohnt perfekt. Wirklich negativ ist mir im Grunde nur die Figur von Casey Affleck aufgefallen, die sehr eindimensional für die fehlgeleitete Menschheit stand. Dass der Film uns trotz der ambitionierten Ideen immer noch darauf vertraut, einen Antagonisten zu geben, fand ich ein wenig schade. Afflecks Schauspielerei war sicherlich nicht übel, jedoch vermag seine Figur meiner Meinung nach keinen wirklichen Mehrwert zum eh schon sehr langen Film beizutragen. Weitere "Antagonisten" im Film werden teilweise ebenfalls sehr offensichtlich in Metaphern gehüllt. So ist der Nachname einer der Figuren die sich mit ganz besonderem Egoismus auszeichnet rein zufällig "Mann" (also Mankind = Menschheit). Wir haben es verstanden, Nolan. Der Mensch ist von Natur aus destruktiv. Genauer kann ich hier allerdings nicht auf die verschiedenen Figuren eingehen, da dies direkt wichtige Plotpunkte der Story verraten würde. Speziell weil einige der Figuren mit den 3 großen Twists im Film verknüpft sind. Richtig gelesen: der Film hat 3 große Twists, die sowohl die Erzählung als solche und auch den emotionalen Kern der Zuschauer effektiv attackieren. Dies gelingt Interstellar leider nur bedingt. Das liegt vor allem daran, dass Interstellar trotz der riesigen Ideen nicht davor zurück schreckt, uns wirklich die GANZE Geschichte zu erzählen. Wo andere Filme meistens ihr Ende in einen Nebel aus verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten hüllt, geht Interstellar den beschwerlichen Weg uns auch am Ende wirklich alle Fragen zu beantworten. Selbst, wenn diese möglicherweise der emotionale Katharsis unserer Hauptfigur nicht zuträglich ist.

Nachdem ich mir all dies nun von der Seele geschrieben habe, muss ich trotzdem noch mal unterstreichen, dass Interstellar trotz der paar Schwierigkeiten eine phantastische, und teilweise atemberaubende Kinoerfahrung darstellt. Vom gefühlsgeladenen Soundtrack von Hans Zimmer bis zu den unglaublichen Special Effects (von denen eine beträchtliche Anzahl mit echten Sets und praktischen Props gedreht wurden) stimmt hier in technischer Hinsicht einfach absolut alles. In einer Zeit in der Kinofilme immer mehr und mehr digitale Scheiße in unsere Gesichter blasen, ist es wirklich verdammt selten geworden, dass man sprachlos und staunend im Kino sitzt und einfach nur jede Sekunde in sich aufsaugt, die sich auf der Leinwand abspielt. DAS ist Kino wie es sein sollte und das ist der Grund, warum Christopher Nolan sowohl bei normalen Zuschauern als auch Filmkritikern gefeiert wird. Daher sollte man natürlich auch nicht überkritisch reagieren, wenn man bemerkt, dass nicht jedes kleinste Detail in der dennoch erstaunlich gut fundierten Story stimmig ist. Ja, unsere Hauptfigur ist als Astronaut und Farmer ein klassische amerikanische Helden-Stereotype und ja, fast alle Dialoge im Film bestehen aus Exposition um entweder zu erklären warum wir gerade sehen was wir sehen oder was gerade passiert ist, aber es funktioniert trotzdem insgesamt perfekt. Auch der kleine Wink, die Künstliche Intelligenz der Crew "TARS" die Form eines Monolithen zu geben, damit sie an 2001 - Odysse Im Weltraum erinnert, heitern die eher bedrückende Stimmung des Films auf. Ach, und habt ihr auch bemerkt, dass in dem Film das Reisen im Weltraum exakt genauso veranschaulicht wird wie in Event Horizon? Ein paar Lacher kann man da schon entdecken. Interstellar ist nämlich beizeiten sogar richtig witzig und optimistisch, auch wenn zu jedem Zeitpunkt das Schicksal der Menschheit auf dem Spiel steht. 

Zuletzt sei euch daher natürlich wärmstens empfohlen, den Film im Kino zu sehen. Die Twists werden euch mit Sicherheit überraschen und allein das visuelle Spektakel rechtfertigt den Preis des Kinotickets. Wird man möglicherweise mit einer milden Migräne aus dem Film kommen? Die Chancen stehen nicht schlecht. Wird man dennoch froh sein, diese Erfahrung gemacht zu haben? Dafür würde ich an dieser Stelle fast sogar schon meine Hand ins Feuer legen. 

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