Obwohl
ich nicht immer mit dem Konsens der "großen" Kritiker
übereinstimme, lese ich doch stets gern andere, gut ausformulierte
Meinungen. Selbst wenn die Rezension dann zu einem anderen Ergebnis
kommt, als ich selbst, verstehe ich dann zumindest meist, warum. Hier
allerdings haben wir es mit einem Netflix Original zu tun, der von
der großen Mehrheit an bisher veröffentlichten Reviews aus den USA
extrem gelobt wird. Und ich kann beim besten Willen nicht verstehen,
warum.
Also
hier gibts aus meiner Sicht mal 13 Reasons Why die von Selena Gomez
produzierte Serie "Tote Mädchen lügen nicht", in meinen
müden Augen ganz, ganz großer Unfug ist.
Zunächst
das ganz offensichtliche Problem, auf welches viele Adaptionen
stoßen. Ein 280 Seiten langes Jugendbuch in eine fast 13 Stunden
lange TV-Serie umzumünzen ist ein von vornerein schwieriges
Unterfangen. Es ist im Grunde ein runder Klotz, den man durch ein
viereckige Loch presst. Ja, es wird schon durch passen... doch
vorgesehen, war es dafür eigentlich nicht. So werden wir, um den
ohnehin schon an den Haaren herbeigezogenen Plot zu toupieren, mit
unzähligen, immer neuen Plotsträngen bombardiert, bevor auch nur
ein einziger so wirklich Früchte trägt. Klar, das ganze soll,
ähnlich wie bei der ebenso fehlgeschlagenen Buchverfilmung "Margos
Spuren" zu einem großen Aha-Moment am Ende zusammenlaufen, der
aber, lässt man sich endgültig auf die pure Dummheit der Story ein,
letzendlich sehr vorhersehbar daher kommt. Über den völlig
unnötigen Rechtsstreit-Subplot sollte man am besten gar nicht erst
anfangen.
Was
dazwischen passierst ist nur leider auch nicht viel spannender. So
ist jede Folge durchzogen von Szenen in denen Eltern die besorgt an
Kinderzimmertüren klopfen und hormongebeutelte Teenager, die von der
anderen Seite rufen, dass alles "OK" ist. Es scheint nicht
selten, dass man einfach völlig vergessen hat, sich tatsächliche
jugendliche Menschen anzuschauen, um wirklich differenzierte
Persönlichkeiten zu zeichnen. Man schaute wohl einfach nur die erten
dreißig Minuten vom Breakfast Club und hatte alles was man brauchte.
Der mit Drogen experimentierte hoffnungslose Fall/Schulbully mit den
Vercrackten Eltern (Der Vadder sogar im nem fucking SS-Nazi-Tattoo
auf dem Nacken), der ominöse Ex Machina Quotenlatino mit Ohrring und
Lederjacke, die Bi-neugierige, der Stalker aus der Foto-AG, die Jocks
und die beliebtere beste Freundin. Ja sogar einen Hipster-Musiker mit
gefärbten Haaren konnte man mit reinquetschen. Für eine Serie, die
den Anspruch erhebt, wirklich ernst mit einem wirklich ernsten Thema
umzugehen, ist das hier viel zu viel Karikatur. Selbst der Soundtrack
ist eine Qual, bei der meine Augen schneller Rotierten, als die
Reifen des polierten Muscle-Cars, welches unser Lederjackenlatino
durch den Ort peitscht. Songs, die für sich genommen natürlich
klasse sind - Joy Division und M83 sind in diesem Kontext nicht
grundlos Dauerbrenner - aber kein 17 Jähriger hört diese Musik.
NEVEREVER fährt ein Highschool Schüler nach dem Unterricht nach
Hause und hört sich "Love will tear us apart" an.
Insgesamt entlarven sich die Macher hier mal wieder selbst. Den
gesamten "Teenage Angst" kram kennen die nur noch aus der
Erinnerung. Mit Authentizität hat das rein gar nichts mehr zu tun.
Erfahrung und rückblickende Betrachtungsweisen der Erwachsenen auf
ihre Kindheit verwässern natürlich, wie es wirklich ist.
Selbstverständlich kein wunder, dass dann nur noch ein Haufen
"Spitzen" übrig bleiben. Die Wahl zum Schulsprecher, der
Abschlussball, etc. pp.
Kein
Wunder, dass darunter dann natürlich auch die Dialoge und
Darbietungen der jungen Schauspieler leiden. Nichts was wir hier fast
dreizehn Stunden lang beobachten ist je "ganz okay" für
die stressgebeutelten Kids. Wie auch, wenn das Melodram von allen
Seiten gleichzeitig zu attackieren scheint. "Die Neue"
sein, gemobbt, gestalked, vergewaltigt, ignoriert, geliebt, verarscht
zu werden ist hart, wenn man nicht mal über ein einziges dieser
Themen mit irgendwem redet bevor man den Entschluss fasst, sich
umzubringen. Das ganze ist so auf zusammenkonstruiertes Fakedrama
ausgerichtet, dass es schon als Beleidigung verstanden werden könnte,
wenn man tatsächlich mit einem dieser Probleme zu kämpfen hat. Doch
trotz all der krassen Situationen, in die unsere süße Hannah Baker
gestoßen wird, wirkt sie doch durchgehend locker, smart mit nem
coolen Spruch auf den Lippen, behält in Situationen einen klaren
Kopf und wirkt clever und cool. Selbst "nach ihrem Tod" ist
sie locker die coolste und gewitzteste (sagt man das so?) High-School
Schülerin im Universum. Wer soll da dann noch einen Selbstmord bitte
abkaufen? Hier wurde einfach keine Figur geschaffen, die Tonbänder
aufnimmt, auf denen sie bestimmten Mitschülern lang und breit
erklärt, warum sie Schuld an ihrem Tod haben. Und klar, ich checks
ja. Es ist Phantasie. Aber gehts vielleicht auch ne Spur weniger? Von
allem so 15% weniger, wäre nett. Geht das? Nein? Wenigstens das
Andrew Garfield/Amazing Spider-Man Twilight-Gestotter unseres
Hauptdarstellers hätte man doch tatsächlich überdenken können.
Und
selbst das wäre noch zu entschuldigen, wenn wenigstens klar
kommuniziert werden würde, was wir hier eigentlich schauen. Ist es
ein Krimi? Ein Mystery-Thriller? Ein Coming-Of-Age Drama? Was auch
immer das eigentliche Ziel war, nichts geht die extra Meile um sich
von anderen Werken abzuheben. Es ist schon echt richtig heftig, wenn
die ersten vierzig Minuten der neuen Verfilmung von Power Rangers
besser versteht, was es bedeutet ein Heranwachsender zu sein, als
knapp 13 Stunden einer Serie über Heranwachsende.
John
Hughes dreht sich im Grabe herum.
Ich
hab mich da durchgequält, damit ihr es nicht mehr müsst.
Scheiß
Serie forever.
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