03.04.2017

Review: Tote Mädchen lügen nicht

Obwohl ich nicht immer mit dem Konsens der "großen" Kritiker übereinstimme, lese ich doch stets gern andere, gut ausformulierte Meinungen. Selbst wenn die Rezension dann zu einem anderen Ergebnis kommt, als ich selbst, verstehe ich dann zumindest meist, warum. Hier allerdings haben wir es mit einem Netflix Original zu tun, der von der großen Mehrheit an bisher veröffentlichten Reviews aus den USA extrem gelobt wird. Und ich kann beim besten Willen nicht verstehen, warum.

Also hier gibts aus meiner Sicht mal 13 Reasons Why die von Selena Gomez produzierte Serie "Tote Mädchen lügen nicht", in meinen müden Augen ganz, ganz großer Unfug ist. 
 
Zunächst das ganz offensichtliche Problem, auf welches viele Adaptionen stoßen. Ein 280 Seiten langes Jugendbuch in eine fast 13 Stunden lange TV-Serie umzumünzen ist ein von vornerein schwieriges Unterfangen. Es ist im Grunde ein runder Klotz, den man durch ein viereckige Loch presst. Ja, es wird schon durch passen... doch vorgesehen, war es dafür eigentlich nicht. So werden wir, um den ohnehin schon an den Haaren herbeigezogenen Plot zu toupieren, mit unzähligen, immer neuen Plotsträngen bombardiert, bevor auch nur ein einziger so wirklich Früchte trägt. Klar, das ganze soll, ähnlich wie bei der ebenso fehlgeschlagenen Buchverfilmung "Margos Spuren" zu einem großen Aha-Moment am Ende zusammenlaufen, der aber, lässt man sich endgültig auf die pure Dummheit der Story ein, letzendlich sehr vorhersehbar daher kommt. Über den völlig unnötigen Rechtsstreit-Subplot sollte man am besten gar nicht erst anfangen.
Was dazwischen passierst ist nur leider auch nicht viel spannender. So ist jede Folge durchzogen von Szenen in denen Eltern die besorgt an Kinderzimmertüren klopfen und hormongebeutelte Teenager, die von der anderen Seite rufen, dass alles "OK" ist. Es scheint nicht selten, dass man einfach völlig vergessen hat, sich tatsächliche jugendliche Menschen anzuschauen, um wirklich differenzierte Persönlichkeiten zu zeichnen. Man schaute wohl einfach nur die erten dreißig Minuten vom Breakfast Club und hatte alles was man brauchte. Der mit Drogen experimentierte hoffnungslose Fall/Schulbully mit den Vercrackten Eltern (Der Vadder sogar im nem fucking SS-Nazi-Tattoo auf dem Nacken), der ominöse Ex Machina Quotenlatino mit Ohrring und Lederjacke, die Bi-neugierige, der Stalker aus der Foto-AG, die Jocks und die beliebtere beste Freundin. Ja sogar einen Hipster-Musiker mit gefärbten Haaren konnte man mit reinquetschen. Für eine Serie, die den Anspruch erhebt, wirklich ernst mit einem wirklich ernsten Thema umzugehen, ist das hier viel zu viel Karikatur. Selbst der Soundtrack ist eine Qual, bei der meine Augen schneller Rotierten, als die Reifen des polierten Muscle-Cars, welches unser Lederjackenlatino durch den Ort peitscht. Songs, die für sich genommen natürlich klasse sind - Joy Division und M83 sind in diesem Kontext nicht grundlos Dauerbrenner - aber kein 17 Jähriger hört diese Musik. NEVEREVER fährt ein Highschool Schüler nach dem Unterricht nach Hause und hört sich "Love will tear us apart" an. Insgesamt entlarven sich die Macher hier mal wieder selbst. Den gesamten "Teenage Angst" kram kennen die nur noch aus der Erinnerung. Mit Authentizität hat das rein gar nichts mehr zu tun. Erfahrung und rückblickende Betrachtungsweisen der Erwachsenen auf ihre Kindheit verwässern natürlich, wie es wirklich ist. Selbstverständlich kein wunder, dass dann nur noch ein Haufen "Spitzen" übrig bleiben. Die Wahl zum Schulsprecher, der Abschlussball, etc. pp.

Kein Wunder, dass darunter dann natürlich auch die Dialoge und Darbietungen der jungen Schauspieler leiden. Nichts was wir hier fast dreizehn Stunden lang beobachten ist je "ganz okay" für die stressgebeutelten Kids. Wie auch, wenn das Melodram von allen Seiten gleichzeitig zu attackieren scheint. "Die Neue" sein, gemobbt, gestalked, vergewaltigt, ignoriert, geliebt, verarscht zu werden ist hart, wenn man nicht mal über ein einziges dieser Themen mit irgendwem redet bevor man den Entschluss fasst, sich umzubringen. Das ganze ist so auf zusammenkonstruiertes Fakedrama ausgerichtet, dass es schon als Beleidigung verstanden werden könnte, wenn man tatsächlich mit einem dieser Probleme zu kämpfen hat. Doch trotz all der krassen Situationen, in die unsere süße Hannah Baker gestoßen wird, wirkt sie doch durchgehend locker, smart mit nem coolen Spruch auf den Lippen, behält in Situationen einen klaren Kopf und wirkt clever und cool. Selbst "nach ihrem Tod" ist sie locker die coolste und gewitzteste (sagt man das so?) High-School Schülerin im Universum. Wer soll da dann noch einen Selbstmord bitte abkaufen? Hier wurde einfach keine Figur geschaffen, die Tonbänder aufnimmt, auf denen sie bestimmten Mitschülern lang und breit erklärt, warum sie Schuld an ihrem Tod haben. Und klar, ich checks ja. Es ist Phantasie. Aber gehts vielleicht auch ne Spur weniger? Von allem so 15% weniger, wäre nett. Geht das? Nein? Wenigstens das Andrew Garfield/Amazing Spider-Man Twilight-Gestotter unseres Hauptdarstellers hätte man doch tatsächlich überdenken können.

Und selbst das wäre noch zu entschuldigen, wenn wenigstens klar kommuniziert werden würde, was wir hier eigentlich schauen. Ist es ein Krimi? Ein Mystery-Thriller? Ein Coming-Of-Age Drama? Was auch immer das eigentliche Ziel war, nichts geht die extra Meile um sich von anderen Werken abzuheben. Es ist schon echt richtig heftig, wenn die ersten vierzig Minuten der neuen Verfilmung von Power Rangers besser versteht, was es bedeutet ein Heranwachsender zu sein, als knapp 13 Stunden einer Serie über Heranwachsende.

John Hughes dreht sich im Grabe herum.
Ich hab mich da durchgequält, damit ihr es nicht mehr müsst.

Scheiß Serie forever.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen