10.03.2015

Review: Chappie

Visuell ansprechende, intellektuell fordernde und darüber hinaus auch noch gut unterhaltende Science-Fiction Filme sind, insbesondere im "Blockbuster-Kino" nach wie vor eine Seltenheit. Bis eines Tages der südafrikanische Regisseur Neill Blomkamp mit dem für 4 Oscars nominierten Film District 9 auf dem Radar Hollywoods auftauchte. Genial war hier die Kombination von durchdachter Science-Fiction und nachdenklich machender Gesellschaftskritik. Auch sein nächster Film Elysium mit Matt Damon in der Hauptrolle vermochte es, wenn auch nicht ganz so sauber wie District 9, diese beiden Komponenten zu verbinden. 

Ob Blomkamps neuestes Werk, der lang ersehnte dritte Kinofilm Chappie ebenfalls diesen Weg einschlägt, oder möglicherweise etwas ganz anderes ausprobiert, erfahrt ihr wie immer im Review. Außerdem will ich euch natürlich auch darüber informieren, wie sich das südafrikanische Rap-Duo Die Antwoord, welche im Film bekanntermaßen prominent vertreten sind, geschlagen haben!

Misst man Chappie an Neill Blomkamps vorherigen Werken, kann es passieren, dass man äußerst enttäuscht aus dem Kinosaal kommt. Wie bereits vorm Kinostart in Deutschland viele Kritiken aus den USA vermuten ließen, handelt es sich bei Chappie nämlich möglicherweise wirklich um Blomkamps ersten Fehlschlag. Warum das sein könnte, werde ich gleich noch etwas genauer beleuchten, möchte hier aber auch - obwohl ich grundsätzlich enttäuscht vom Film bin - eine Lanze für Chappie brechen. Denn handelt es sich hier trotz all der Probleme des Films (und ja, es sind tatsächlich einige), um ein in ehrlicher Handarbeit entstandenes, ambitioniertes Werk. Ein Werk, welches definitiv einige Pluspunkte vorzuweisen vermag. So kann es für euch Leser möglicherweise dazu kommen, dass, je nachdem wie viel Wert ihr auf bestimmte Kriterien legt, entweder einen guten, oder schlechten Film in Chappie findet. Ich persönlich befinde mich ziemlich genau in der Mitte, da ich, obwohl ich sehr enttäuscht wurde (vielleicht war einfach meine Erwartungshaltung nach District 9 viel zu hoch angesetzt), sehr gut unterhalten wurde.

Im Film geht es um einen ausrangierten Polizeiroboter (Stimme und Motion-Capturing kommt von Sharlto Copley), welcher von dem genialen Erfinder (gespielt von Slumdog Millionär Star Dev Patel) mit einem Upgrade zurück ins Leben geholt wird, welches ihm eine frei denkende und lernende künstliche Intelligenz (KI) verleiht. Dieser Roboter, welcher aufgrund seiner kaputten Batterie nur 5 Tage zu leben hat, verhält sich zunächst wie ein neugieriges Kleinkind, als er von den beiden (im Film gescheiterten) Rappern Die Antwoord aufgezogen wird. Die beiden Musiker spielen hier eine verschrobene Version von sich selbst, in der sie nachdem ihre Musikkarriere scheiterte, zurück in den Slums von Johannesburg landen und einem Bandenführer Drogengeld schulden. Um das Geld aufzutreiben, versucht Ninja (der Mann von Die Antwoord) den leicht beeinflussbaren Chappie (so wird er von Yolandi, der Frau von Die Antwoord, getauft) so zu erziehen, dass er ihm bei seinen Raubzügen hilft. Zu allem Überfluss hat es dann auch noch der von Hugh Jackman gespielte Konkurrent von Dev Patels Computergenie, auf Chappie abgesehen, da er mit seinen von Menschen gesteuerten Kampfrobotern ins finanzielle Hintertreffen gegen die beliebten, von selbst agierenden Polizeirobotern, geraten ist. Der ist der Meinung, dass künstliche Intelligenz gefährlich ist und macht sich auf, die von Chappie zu vernichten. 

Wie man jetzt bereits gemerkt haben wird: Chappie ist ein Film, der unbedingt etwas aussagen will. Jedes im Film enthaltene, thematische und ästhetische Element wird hier dem Zuschauer in Signalfarben vors Gesicht gehalten. Grundsätzlich ist das auch keine schlechte Sache, immerhin machen sich sowohl District 9, als auch Elysium ähnlicher Vergehen schuldig. Doch ist bei denen zu jeder Zeit klar, was man überhaupt von uns möchte. Dieser Film will allerdings etwas aussagen, weiß aber gar nicht genau, was. Denn Chappie ist bis oben hin voll mit Gedankenexperimenten, die - für sich allein genommen - einen tollen Film abgegeben hätten. Hier wird allerdings so viel Zeug in einen Topf geworfen, dass am Ende kein ausgewogener Eintopf, sondern eine undefinierbare Pampe entstanden ist. Und genau das ist meiner Meinung nach Blomkamps größte Sünde, da er wirklich jede Idee irgendwie in seinem Film unterbringen will, als wäre es der Letzte den er jemals drehen wird. Es hätte eine gute Story abgegeben, hätte man sich auf den ethischen Konflikt zwischen intelligenten Robotern vs. von Menschen gesteuerten Robotern konzentriert. Oder er hätte den thematischen Kern auf den möglicherweise dadurch entstandenen Polizeistaat legen können. Oder auf Dev Patels Gott-Komplex, da ihm nicht mal bewusst wird, dass die Dinge die er erschaffen hat, möglicherweise mehr sind, als eine weitere Errungenschaft unter die er seinen Namen setzen kann. Oder man hätte weiter beleuchten können, wie Die Antwoord mit ihrem "Findelkind" Chappie umgehen, da dieser als Adoptivkind der beiden nicht nur ungeahnte Muttergefühle in Yolandi auslöst, sondern auch schwer mit den Lehren zu kämpfen hat, die ihm sein minderbemittelter Stiefvater Ninja einbläut. Oder die in den letzten 15 Minuten des Films zusätzlich eingestreute Idee von Transzendenz, welche nicht nur viel zu plötzlich sondern auch viel zu spät in den Film hineinplatzt. Doch stattdessen müssen unausgereifte Versionen all dieser Dinge um Platz im Film kämpfen, wodurch letztendlich alle zu kurz kommen und keine Idee wirklich zu Ende gedacht werden darf. 

Neill Blomkamp ist ein Regisseur, der in der Lage ist atemberaubende Welten zu erschaffen und steht den besten Filmemachern in nichts nach, wenn es darum geht Emotionen mit starken Bilder zu vermitteln. Doch beweist Chappie, dass er noch nicht so weit ist, eine Geschichte ohne Hilfe (bei District 9 hatte Der Herr der Ringe Regisseur Peter Jackson als Produzent seine helfende Hand im Spiel) zu entwickeln. Er kann sie inszenieren, aber offenbar nicht ausgewogen schreiben. Das ist aber auch kein Problem, da der Drehbuchautor und der Regisseur sowieso nur in den aller seltensten Fällen ein und die selbe Person ist. Neill Blomkamp muss kein Quentin Tarantino sein, der alles selbst macht. Blomkamp sehe ich viel eher in der Ecke zusammen mit David Fincher, der seine Filme nicht selber schreibt, ihnen aber stets einen ganz eigenen visuellen Stempel verleiht. Deswegen bin ich auch nach wie vor guter Dinge, dass der nächste Alien Film, für den Blomkamp den Zuschlag für den Regiestuhl bekommen hat, sehenswert werden könnte. Da wird das Drehbuch nämlich meines Wissens nach von einem Drehbuchautor geschrieben. 

Als absolut positiv sei allerdings vermerkt, wie großartig Chappie selbst inszeniert wurde. Nicht nur sind die Visual Effects im Film erstklassig, auch das Motion Capturing des Titelhelden sucht weit und breit seinesgleichen. Auch Sharlto Copley, der den naiven Roboter spielt, leistet hier nahezu brillante Arbeit. Jede von Chappie imitierte Bewegung, jeder kindisch-fragende Satz ist eine absolute Punktlandung und verleiht dem ganzen Film eine mit Charisma gefüllte Schwimmweste, die den Rest des Films vorm absaufen rettet. Die witzig-aufregende Energie, die hier im Spiel ist hat mich auch definitiv gepackt. Der Polizeiroboter mit unzerstörbarer Titanium-Legierung und dem Verstand eines Kleinkindes funktioniert perfekt. Auch wenn ich mir die Art und Weise, wie ihn die verschiedenen Figuren im Film "erziehen" nicht so spektakulär fand, wie anfangs gehofft. Das soll nämlich das Herz des Films darstellen: Programmierung eines Roboters stellvertretend für Kindererziehung. Dev Patel will, dass sich Chappie von Gewalt fern hält und seinen kreativen Impulsen folgt, während Ninja versucht, dem Roboter beizubringen "ein Mann zu sein" (was nach Ninjas Verständnis im Film bedeutet, sich wie ein Gangster zu verhalten). 

Diesen positiven Vermerk kann ich über die vielen Nebenfiguren leider nicht sagen. Dev Patel bleibt eindimensional als Computernerd und die beiden Rapper von Die Antwoord sind absolut furchtbar und ließen mich die ganze Zeit hoffen, dass die endlich mal jemand erschießt (und das, obwohl ich ihre Musik zum Teil echt klasse finde!). Am schlimmsten ist aber der große Gegenspieler des Films, gespielt von Hugh Jackman. Der ist zu einem so unausgegorener Klischee-Bösewicht kaputt-geschnitten worden, dass ihm nur noch ein gezwirbelter Oberlippenbart gefehlt hätte, um auch die letzten Idioten davon zu überzeugen, dass er nichts Gutes im Schilde führt. Ein Ex-Militär Neanderthaler, der aus streng religiösen Gründen künstliche Intelligenz verachtet und im Büro den mickrigen Computer-Nerd schikaniert? Unmissverständlich. Als er dann bei seiner ersten Begegnung mit Chappie auch noch selbigen in seinen Truck zieht und versucht ihn in Stücke zu zerlegen, sollte es wohl wirklich jedem klar sein, dass hier nicht auf Augenhöhe diskutiert wird, sondern dass er der Böse ist. Das wird auch in der nächsten Szene noch dicker aufgetragen, als Chappie sich danach buchstäblich weinend und misshandelt "nach Hause" rettet und nach seiner "Mommy" ruft, die ihn prompt versucht zu trösten. Der kleine Chappie, der panisch vom "bösen Mann im Van der ihm Weh getan hat, obwohl er Stop gerufen hat!" erzählt, ist wohl der deutlichste Wink mit dem Zaunpfahl seit Jahren. 

Doch ich muss letztendlich zugeben, dass ich mich sehr vom Geschehen hab mitreißen lassen. Da verzeihe ich sogar gern so lächerliche Fehler wie den Filmanfang, in dem verschiedene Wissenschaftler im Stile einer Dokumentation über Chappie reden - einer Sequenz die im gesamten restlichen Film kein einziges mal mehr erwähnt oder aufgegriffen wird. Denn ich war durchaus emotional investiert und wollte, dass der Roboter sein Happy End bekommt. Das war zwar ebenfalls wieder ein ziemlich schlechtes (wie bei solchen Filmen üblich, endet das ganze mit einer riesigen Schießerei, in der sich Helden opfern und Gegenspieler dezimieren lassen). Was also unterm Strich bleibt, ist ein von Problemen geplagter Sci-Fi Film, welcher wie ein Pixar Film nur für Erwachsene wirkt. Eine Kino-Empfehlung für Chappie kann ich zu meinem Bedauern einfach nicht aussprechen, will aber aus Fairness anmerken, dass Fans von Die Antwoord (die im Film nicht nur ihre eigenes Merchandise tragen, sondern sogar auch ihre eigene Mukke hören) und auch Freunde von abgedrehten Science-Fiction Filmen durchaus Spaß haben könnten. Sollte euch der Streifen irgendwann mal günstig auf Blu-Ray oder im Fernsehen begegnen, kann man ihn definitiv mal auschecken. 

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