11.02.2014

Der kommunistische Godzillafilm von Diktator Kim Jong-Il

Wenn man ganz tief in der Kuriositätenkiste der Filmgeschichte wühlt, stolpert man früher oder später über die Geschichte von Shin Sang-ok. Das war ein südkoreanischer Filmregisseur, welcher von Nordkoreas damaligem Diktator Kim Jong-Il gekidnappt wurde, um Filme aus dessen Ideen zu drehen. Einer dieser Werke: ein Godzilla-Klon namens Pulgasari!

Der am 17. Dezember 2011 verstorbene Diktator Kim Jong-Il, seines Zeichens Staatsoberhaupt auf Lebenszeit in Nordkorea, war eine ziemlich furchtbare Person. Man sagt, er habe in seiner Laufbahn mehr als 200.000 politische Gefangene genommen (das Mundtot machen von Oppositionellen ist unter Diktatoren sehr beliebt) und war ebenfalls bekannt dafür ein großer Fan von Theatralik zu sein. Die Parodie im 2004er Film Team America: World Police von den beiden South Park Machern, Trey Parker und Matt Stone, war vermutlich gar nicht so weit hergeholt. Das Nordkoreanische Propaganda-Ministerium indoktrinierte junge Nordkoreaner seit Jahren mit den Märchen, er sei eine Art lebender Gott inklusive Zauberkräften. So entstanden Geschichten, dass bei Kim Jong-Ils Geburt ein doppelter Regenbogen schien, und dass sein Gemütszustand das Wetter beeinflusst (wirklich). Doch er war nicht nur passionierte Menschenrechtsbrecher, der sein eigenes Volk hungern lies während er sich selbst wie eine Karikatur eines James Bond Bösewichtes anzog, er war zudem auch noch ein großer Filmfan.   

Kim Jong-Ils Lieblingsfilme waren Hongkong-Actionfilme (das in Hongkong erfundene Filmgenre "Heroic Bloodshed" werden wir an anderer Stelle noch mal genauer erläutern), Godzilla, Freitag der 13te und Rambo. Er hat sogar ein eigenes Buch übers Filmemachen, namens "The Art Of Cinema" geschrieben. Kein Witz. Das kann man kaufen: Amazon!



Seine Liebe zu Filmen ging sogar so weit, dass er einen Regisseur und dessen Exfrau hatte kidnappen lassen, um ihn zu zwingen, für ihn Filme zu drehen. Dieser besagte Regisseur war der in so ziemlich ganz Asien berühmte Shin Sang-ok, welcher mit seiner eigenen Produktionsfirma Shin Films in der Blütezeit des südkoreanischen Kinos in den 60er Jahren etwa 300 Spielfilme veröffentlichte. Als in 1978 seine Exfrau, die Schauspielerin Choi Eun-hee in Hongkong entführt und über den Seeweg nach Nordkorea verschleppt wurde, ereilte den Regisseur, beim Versuch das Verschwinden Chois aufzuklären das gleiche Schicksal. 

Was dann während seinem ungewollten Aufenthalt passierte, erzählt euch Wikipedia:

Shin genoss zunächst eine besonders großzügige Behandlung, was die Annehmlichkeiten des alltäglichen Lebens anging. Fünf Monate nach seiner Entführung machte er einen Fluchtversuch und versuchte auf einen Güterzug nach China aufzuspringen. Er wurde jedoch entdeckt und verbrachte über drei Monate in Einzelhaft. Nach einem erneuten Fluchtversuch kam er in ein Lager für politische Häftlinge. Nach fast vier Jahren Lagerhaft wurde er 1983 entlassen.
Im März 1983 wurden Shin und seine Ex-Frau Choi zu einer Dinnerparty bei Kim Jong-il in Pjöngjang eingeladen. Erstmals seit ihrer Entführung trafen sich die ehemaligen Eheleute und erfuhren, dass sie beide dasselbe Schicksal ereilt hatte. Kim Jong-Il wollte, dass Shin und Choi Filme für das nordkoreanische Kino produzieren. Auf Druck Kims heirateten beide erneut.

Einige Filme entstanden aus dieser unheiligen Allianz, wovon man jedoch leider, da es noch immer schwer ist Sachen in oder aus Nordkorea zu schaffen, nur sehr wenige zu Gesicht bekam. Nichtsdestotrotz fand der ein oder andere Streifen dann doch noch seinen Weg zu uns. Einer dieser Filme, die in des Diktators Auftrag produziert wurden, war Pulgasari, ein Spielfilm aus dem zu der Zeit äußerst berühmten "Kaiju/Monster"-Genre. Pulgasari war der Name der riesigen, drachenartigen Hauptfigur, die angeblich auf einer alten Koreanischen Sage beruht. Ähnlich wie Godzilla war sie nahezu unbezwingbar und zerstörte alles was sich auf dessen Weg befand. Der interessante Twist dieser Geschichte: Pulgasari war darüber hinaus auch als politisches Kommentar zu verstehen. Ist ja klar, dass diese Filme natürlich auch als Propagandamittel genutzt wurden. In der Sage wird nämlich der Sieg des Volkes über die adeligen Anführer glorifiziert, welche das koreanische Volk quälten bevor sie zum Kommunismus gelangten... was ja auch viel schlimmer als die Diktatoren waren, die sie als Anführer bekamen nachdem sie zum Kommunismus gelangten... aber ich schweife ab.

Im Film unterjocht ein koreanischer König seine Untertanen (der ganze Film spielt im Mittelalter), nur um dann von Pulgasari besiegt zu werden, welcher somit dem Proletariat half die Monarchie zu überwinden. Das Monster selbst, sah für seine Zeit sogar richtig gut aus. Kim Jong-Il war selbst so begeistert von dem Look seiner eigenen Godzilla-Version, dass er sogar den originalen Schauspieler von Godzilla engagierte (also der Typ der in den ganzen Filmen das Gummikostüm anhatte), um ins Pulgasari Kostüm zu schlüpfen. Doch da endet der Film noch nicht ganz... und hier kommt der Punkt, wo ich ein wenig spekulieren möchte. Nachdem Pulgasari den König erledigt hatte, verlangte das Monster selbst, den Gehorsam des koreanischen Volkes. Wenn man jetzt also die Metapher weiter denkt, und man annimmt, dass Pulgasaris Kampf gleichzusetzen ist mit dem Sieg der Nordkoreanischen Armee über das vorherige Regime, ist es sehr leicht zu erkennen, dass Pulgasaris Verrat am Ende eine ziemlich eindeutige Kritik an der Kommunistischen Partei Nordkoreas ist, welche ja ebenfalls nach ihrem Sieg das selbe getan haben. Kann es also sein, dass Regisseur Shin Sang-ok die Eier hatte, seine persönliche Meinung über Kim-Jong-Il in den Film zu schleusen? Wir werden es nie erfahren.



Shin Sang-ok schaffte es dann Jahre später mit seiner Exfrau zu fliehen. In 2006 starb er an Hepatitis und erhielt noch im selben Jahr posthum vom südkoreanischen Präsidenten Roh Moo-hyun die höchste Auszeichnung für Kulturschaffende in Korea. Ein Jahr später erschien seine Autobiografie. 

Der gesamte Pulgasari Film ist übrigens auf Youtube hochgeladen. Wer Interesse hat, kann sich dieses Machwerk dort gern mal anschauen.

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