27.02.2014

Filmtipp: The Grey - Unter Wölfen

Joe Carnahan ist einer meiner Lieblingsregisseure. An und für sich, ist das sicherlich keine große Besonderheit. Der Mann hat schließlich ein paar richtig gute und unterhaltsame Filme gedreht. Das seltsame an dieser Tatsache ist jedoch, dass er das bereits war, lange bevor mich einer seiner Filme wirklich nachhaltig faszinieren konnte. Carnahan ist sicherlich mit Abstand einer der direktesten, engagiertesten und ehrlichsten Männer in Hollywood. Doch obwohl ich Filme wie Narc und Smoking Aces sehr gut fand, überzeugte Carnahan mich von seiner Genialität erst mit seinem survival-drama/thriller The Grey... 

The Grey ist ein von Joe Carnahan geschrieben und gedrehter Abenteuerfilm aus dem Jahre 2012, produziert von Ridley Scott. In der Hauptrolle spielt Liam Neeson (Batman, Star Wars, 96 Hours, Schindlers Liste) einen verzweifelten Mann namens John Ottway, der in Alaska als Jäger arbeitet und engagiert wurde eine Bohrinsel vor Angriffen der lokalen Wildnis zu schützen. Seine kurz zuvor verstorbene Frau hinterlässt einen zutiefst unglücklichen Ottway, welcher am letzten Tag seiner Dienstzeit versuchte Selbstmord zu begehen. Er entscheidet sich jedoch in letzter Sekunde dagegen und tritt die Heimreise an. Das Flugzeug, welches ihn und die anderen Arbeiter der Bohrinsel zurück in die Heimat fliegen sollte, stürzt auf spektakuläre Art und Weise ab. Ottway und einige der anderen Passagiere überlebten den Absturz und sind nun in der unerbittlichen Eiswüste der Tundra Alaskas gestrandet. Dem sicheren Tod erneut ins Auge blickend, entscheidet unser Protagonist, die restlichen Überlebenden anzuführen, um mit ihnen in Richtung Zivilisation zu marschieren. Das Problem... Die Truppe stürzte direkt im Jagdgebiet eines wilden Wolfsrudels ab, welche den Männern folgt, auflauert und einen nach dem anderen umbringt.



Der Film selbst ist einerseits eine intelligente, wunderschöne und philosophische (ja, hier werden wirklich tiefschürfende Fragen über Gott und dergleichen aufgeworfen) Studie darüber, wie wir Verlust und Angst verarbeiten, andererseits ein gnadenloser "Männerfilm" mit faszinierenden Kameraeinstellungen, die dem Zuschauer zu jeder Zeit das Gefühl vermitteln, Teil des Geschehens zu sein. Ein Überlebenskampf in der menschenfeindlichsten Umgebung der Welt, improvisierte Waffen und die ständige Frage "was würde ich in dieser Situation tun?" sollten jeden Fan von Survival-Natur-Filmen extrem zusagen. Und was wir hier sehen, ist bis zu einem gewissen grad keine Schauspielerei mehr, sondern ECHT. Klar, die Wölfe sind fake (sowohl CGI als auch praktische Effekte wurden verwendet), doch die Shooting-Location (Briths Columbia, Kanada) an der dieser Film gedreht wurde, war tatsächlich so kalt wie es im Film aussieht. Die Schauspieler tragen kein Make Up, der Schnee ist echt, die kraftlosen Darstellungen der Überlebenden, sind ebenfalls echt. 

Die Schauspieler sind generell allesamt sehr gut gecastet und bringen die Verzweiflung und den Kampf gegen den eigentlich sicheren Tod äußerst glaubhaft rüber. Natürlich ist Liam Neeson hier der Dreh- und Angelpunkt des Films, weshalb es sicherlich nicht verwunderlich ist, warum die übrigen Figuren teilweise ein wenig "überspitzt" wirken. Es gibt einen, der ganz besonders feige ist, einer mit seinem Galgenhumor ganz besonders lustig ist und einen der als Gegengewicht zu Liam Neesons Ottway grundsätzlich anderer Meinung ist und ihn bei jeder Gelegenheit herausfordert. Besonders diese, offensichtlich bewusste, Hervorhebung besonderer Charakterzüge, lässt mich die Theorie zusammenspinnen, dass Ottway möglicherweise von Anfang an der einzige Überlebende des Flugzeugabsturzes war, und die übrigen Männer jeweils Teile seiner Persönlichkeit darstellen. Das würde sicherlich viel Sinn machen, da er im Film versucht jeden der Männer lebend aus dieser Hölle zu führen, was eine Metapher dafür sein könnte, dass er versucht nicht den Verstand zu verlieren, während er ums überleben kämpft. 

Auch die Wölfe, von denen wir in der meisten Zeit wegen der Schneestürme und der Dunkelheit der Nächte meist nur sehr wenig sehen, sind sicherlich auch auf verschiedenen Ebenen zu interpretieren. Stehen sie für die zurückschlagende Natur? Für die unüberwindbaren Probleme, die einen früher oder später einholen, egal wie weit man vor ihnen weg rennt? Regisseur und Drehbuchautor Joe Carnahan, welcher bereits mit Filmen wie Narc, der Filmversion der beliebten TV-Serie A-Team mit Bradley Cooper und Liam Neeson und Smoking Aces Erfolge feierte, möchte die Interpretation gerne dem Zuschauer überlassen, und gibt keine eindeutige Erklärung.

Meiner Meinung nach ist dies einer dieser Filme, die aufgrund ihres Names und ihres Covers von vielen Leuten, die eigentlich richtig viel Spaß mit diesem Film haben könnten, zu unrecht weggelegt werden. Ähnlich wie Beispielsweise Fight Club, wird im Film so viel mehr geboten, als die Oberfläche herzugeben scheint. Also tut euch den gefallen, und gebt dem Film eine Chance!

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