08.10.2014

Review: Gone Girl

David Fincher (House Of Cards, Fight Club, The Social Network) ist mein Lieblingsregisseur. Nicht nur ist er verantwortlich für den nahezu perfekten Fight Club, einer Geschichte die von Finchers visuellem Stil immens profitierte, sondern drehte er auch viele weitere erfolgreiche Adaptionen beliebter Geschichten. Speziell die cleveren Thriller wie Sieben, The Game, Panic Room, Zodiac, die Buchverfilmung Verblendung und dem Oscargewinner The Social Network, festigen seinen Status als einen der besten Regisseure unserer Zeit. Seit seinen Anfängen als Kameramann bei Star Wars: Die Rückkehr Der Jedi-Ritter, attestierte man ihm ein außerordentliches Auge für Film.

Nun erschien David Finchers neustes Werk in den Kinos. Gone Girl heißt der Film und ist erneut eine Verfilmung eines bekannten Romans. Im Bestseller-Thriller von Autorin Gillian Flynn geht es um ein junges Ehepaar, welches weit von dem entfernt ist, was es vorgibt zu sein. Flynn, welche für den Film auch das Drehbuch schrieb, zeigt mit Gone Girl eine phantastische Charakterstudie und tiefe Abgründe in die Konzepte wie Ehe und Liebe jemanden werfen kann. Ich probiere natürlich den "Twist" und die "Auflösung" so vage wie möglich zu besprechen, um euch die Überraschung des Filmes nicht zu nehmen.
         
Gone Girl ist kein Film für einen Kinogänger mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne. Mit rund 150 Minuten Laufzeit wird der spannende Psychothriller zum wirklich abendfüllenden Programm. Doch auch ohne Überlänge hätte die Geschichte von Gone Girl keinen Zuschauer so schnell vom Haken gelassen. Noch Stunden später wird man sich über den Inhalt des gerade gesehenen Gedanken machen, denn dieser Film ist anders. Schlauer und bedachter, gefährlicher irgendwie. Die Art und Weise, wie Fincher den Film aufgebaut hat, erinnert nämlich an die geduldige Gefahr einer Schwarzen Witwe. Denn Finchers Regiearbeit in Gone Girl erinnert an vielen Stellen an eine Spinne, die ihre Beute (uns) genau dort hat, wo sie sie haben will. Jede Szene des zugegebenermaßen Sitzfleisch-feindlichen Films ist bis ins Detail durchdacht und mit einem klaren Grund dort. Die Geschichte lenkt den Zuschauer. In gewisser Weise führt sie ihn an der Nase herum. Jeder Satz und jeder Shot ist exakt so, wie er sein muss, um die gewünschten Gefühle in uns auszulösen. Hier ist trotz großer Masse kein Gramm zu viel und man fühlt sich von Minute zu Minute tiefer in die Handlung verstrickt. 

Doch wie schafft Gone Girl es, über die Länge wirklich spannend zu bleiben? Glücklicherweise hat der Film noch viel mehr zu bieten, als eine spannende Inszenierung. Hier stimmt noch viel mehr! Zuerst sei erwähnt, dass die Schauspieler durchgehend exzellente Arbeit abliefern. Ben Affleck (The Town, Good Will Hunting, Argo) spielt die Rolle des egoistischen Ehemanns ohne reale Ambitionen wirklich gut. Viele Kritiker sagen allerdings, dass er, obwohl er eine gute Leistung abliefert, von Rosamund Pike (Jack Reacher, The Worlds End, Stolz & Vorurteil), die im Film seine Frau darstellt, an die Wand gespielt wird. Das ist auch tatsächlich wahr - ich wäre mehr als geschockt, wenn Pike nicht für einen Oscar nominiert wird - jedoch denke ich, dass genau dieses Ungleichgewicht der beiden Ehepartner im Film so geplant war. Ben Affleck musste also "unter sie drunter her" spielen, um dem Film Glaubwürdigkeit zu verleihen. Warum das so ist, wird jedem klar, der die Wendungen des Films gesehen hat. In weiteren Rollen sieht man Tyler Perry (Alex Cross, A Madea Christmas) als verteidigender Anwalt, der nicht nur für interessante Blickwinkel, sondern auch für auflockernde Momente zuständig war. Weniger passend empfand ich die Besetzung des ominösen Stalker-Exfreunds, verkörpert von Neil Patrick Harris (How I Met Your Mother, Starship Troopers), der zwar an und für sich die Rolle zur Zufriedenheit erfüllt, meiner Meinung nach jedoch nicht bedrohlich und verrückt genug aussah. Es kann natürlich auch total gewollt sein, dass die Rolle eine eher subtileren Horror ausstrahlt. 

Ebenfalls erneut phänomenal umgesetzt war der Soundtrack. Die gewohnt erfolgversprechende Kollaboration aus Nine Inch Nails Stars Trent Reznor und Atticus Ross für David Finchers Filme (führte zu einem Oscar für den Soundtrack in The Social Network und einem Grammy für ihre Arbeit an Verblendung) kommen auch bei Gone Girl zum Einsatz. In diesem Film wurde allerdings weniger auf instrumentelles Sounddesign gesetzt, als auf punktuell eingestreute Soundeffekte. So zum Beispiel hören wir jedes mal einen dröhnenden und basslastigen Herzschlag, der immer dann nach "vorne" gemischt wird, wenn wir mit einer Wendung der Handlung konfrontiert werden, die den Zuschauern den Atem raubt. 

Das Mysterium selbst (im Film geht es darum, wie Rosamund Pikes Charakter plötzlich verschwindet, und Ben Affleck, nach seiner Filmfrau suchend immer weiter ins Fadenkreuz der Ermittlungen gerät), ist nachvollziehbar erzählt und wirft auch auf einer Meta-Ebene einige Fragen darüber auf, wie die Medien unsere Wahrnehmung lenken und vernebeln können. Kaum lächelte Ben Affleks Figur einmal falsch, kreiste die Boulevardpresse bereits wie Aasgeier über ihm und verdächtigten ihn des Mordes, wodurch auch die allgemeine Meinung über ihn ins negative rückt. Visuell ist Gone Girl auf dem gewohnten Championsleague Niveau von David Fincher, obwohl er hier eine deutlich lebhaftere Farbpalette nutzt, als beispielsweise in Fight Club oder Sieben. Dass seine Filme wie bewegte Gemälde aussehen, liegt aber nicht nur an der guten Kameraführung. Fincher ist bekannt dafür, selbst die trivialsten Szenen dreißig, vierzig, achtzig oder hundert mal zu drehen, bis er das exakt passende Puzzelstück erhält, welches er seinem finalen Mosaik hinzufügen will. Es scheint, als habe der Mann am ersten Drehtag den fertigen Film bereits im Kopf. So sehr es sich auch nach einem Sakrileg anhören mag: David Fincher festigt auch mit seinem neusten Werk einmal mehr seinen Status als der Alfred Hitchcock unserer Generation. 

Wer also die Gelegenheit hat, Gone Girl im Kino zu sehen, sollte diese unbedingt ergreifen. Speziell Freunde von intelligenter Unterhaltung (und den hitzigen Diskussionen danach) bekommen hier ein Festmahl angerichtet, welches zu verdauen einige Zeit in Anspruch nehmen wird. 

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