Es gab einen kurzen Moment, an dem ich dachte: hier könnte etwas auf uns zukommen, was wir so noch nicht gesehen haben. Das war kurz vor Veröffentlichung von The Amazing Spider-Man, dem Reboot des wohl berühmtesten Marvel Superhelden. Ich war, noch bevor die ersten Trailer erschienen, ein Pro-Reboot Verfechter. Ein neuer, jüngerer Spider-Man mit einem besseren Kostüm? Web-Shootern wie in den Comics? The Lizard als Widersacher (einer so tragisch/coolen Figur in den Comics!) und die sehr nötigen, frischen Impulse im Spider-Man Franchise? Es klang nach einer sehr guten Idee. Was dabei herauskam war bekanntlich eine Missgeburt sondergleichen, eine lächerliche Fehlinterpretation einer im Grunde so simplen Heldensage. Doch auch, wenn der Film für mich der Erste war, wo ich tatsächlich mein Kinogeld zurück haben wollte, muss ich dem nun angelaufenem 2ten Teil eine faire Chance geben. Ob The Amazing Spider-Man 2 diese Chance genutzt hat, lest ihr hier...
Es gibt Momente, in denen ich in The Amazing Spider-Man 2 den Tränen nah war. Die Art und Weise, wie phantastisch es aussieht, wenn Spidey durch Manhattan schwingt... und das in einem Kostüm, welches so nah an der originalen Comicvorlage war, wie in noch keinem Film zuvor... Man muss einfach Staunen, wie flüssig hier alles wirkt. Auch Hauptdarsteller Andrew Garfield (The Social Network), welcher im ersten Teil noch völlig unpassend als Peter Parker erschien, schafft es hier so langsam der Persönlichkeit von der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft ein wenig näher zu kommen. Ja, ich konnte mich nach den ersten paar Sekunden des Films tatsächlich auf die Idee einlassen, dass der furchtbare Gestank des ersten Teils abgewaschen werden konnte. Ich war bereit mit Spider-Man um die Häuser zu schwingen. Dumm nur, dass einem sehr schnell klar wird, dass Peter im gesamten Film nicht ein einziges mal losschwingt, um etwas Interessantes zu tun...
Was habe ich mir da für einen Bären aufbinden lassen. Regisseur Marc Webb (500 Days Of Summer), welcher auch schon den ersten Teil voll versaut hat, beteuerte vor Veröffentlichung seines 2ten Versuchs, dass man aus den Fehlern gelernt habe. Eine ehrliche Aussage, will man meinen. So gibt er schließlich offen zu, dass der erste Teil große Schwächen hatte (glaubt mir, der Film war eine absolute Frechheit und spuckte jedem Fan der Comicvorlage mit Anlauf ins Gesicht). Doch wer hätte gedacht, dass er es im Nachhinein beinahe sogar noch schlimmer machen würde?
Doch um zu verstehen, warum dieser Film bereits in seinem Kern nicht funktioniert, müssen wir vorne Anfangen. Der Film beginnt mit Spider-Man, welcher den russischen Schurken Rhino, gespielt von Paul Giamatti (Sideways, Der Soldat James Ryan), daran hindert, Plutonium von Oscorp zu stehlen. Direkt hier kann bereits der erste Nagel im Sarg des neuen Spider-Man Films gefunden werden. Einen erstklassigen Charakterdarsteller wie Paul Giamatti in einer so zweidimensionalen Rolle zu verfeuern ist schon ein großes vergehen... den Rhino jedoch im gesamten Promomaterial anzukündigen, ihn dann aber tatsächlich maximal 3 Minuten im Film zu haben (wovon er vielleicht eine Minute lang in seiner Panzerung ist), tut schon beim zusehen weh. Dieser Schmerz will jedoch auch in den folgenden zweieinhalb Stunden einfach nicht vergehen, denn auch so ziemlich alle anderen Figuren im Film sind darauf aus, Leuten mit Geschmack Schaden zuzufügen. Der sonst großartige Dane DeHaan (Metallica: Through The Never, The Place Beyond The Pines, Chronicle) und auch Jamie Foxx (Django Unchained, Collateral) liefern hier jeweils das schlechteste ab, was sie in ihrer Karriere jemals gedreht haben. Googled mal "Overacting" und ihr versteht was ich meine. Ich übertreibe hier nicht, beide sind einfach so lächerlich, überspitzt und platt, dass man sich regelmäßig an die Batman & Robin Filme aus den 90er Jahren erinnert fühlt. Erinnerungen, die man eigentlich tief in seinem Unterbewusstsein vergraben wollte.
Der Film selbst tropft ohne "Story" (nein wirklich, der komplette Film hat KEINEN KOHÄRENTEN PLOT!) vor sich her und gibt uns in viel zu kurzen Abständen Szenen zwischen Peter Parker und seiner Freundin Gwen Stacy, gespielt von Emma Stone, welche ich nur widerwillig als Plus des Filmes anführen kann. Denn es ist schon fast unübersehbar, dass die beiden Hauptdarsteller nicht so gut miteinander funktionieren, weil die Dialoge oder das Skript so toll ist, sondern einzig und allein weil die beiden auch privat miteinander Sex haben. Warum das den Film nicht rettet, und warum Gwen grundsätzlich vielleicht der nächste Nagel im Franchise-Sarg bedeuten könnte, erkläre ich später noch etwas mehr - dafür werden jedoch relativ "große" Spoiler nötig sein.
Aber warum sind die unzähligen Bösen in diesem Film (schon wieder) so scheiße? Ich dachte man hätte etwas von den Fehlern des ersten Teils gelernt? The Lizard war eine unausgereifte Lächerlichkeit ohne durchgehende Motivation. Aber nö, hier hat sich eindeutig nichts verändert. Zum einen, weil sie allesamt erneut schlechte Kopien von Dingen sind, die wir schon gesehen haben (Jamie Foxx spielt hier eine neue Interpretation von Electro - die bis auf den Namen rein GARNICHTS mit der Figur aus den Comics zu tun hat - der exakt die selbe Persönlichkeit, Motivation und Entstehungsgeschichte hat wie Jim Carreys Riddler aus Batman Forever von 1995!), oder spielen einfach so sehr an den Zuschauern vorbei, dass man sich fragt wessen zurückgebliebener Cousin das Drehbuch geschrieben hat. Dane DeHaan enttäuscht so unfassbar als Harry Osborn (jup, schon wieder der Green Goblin), der uns im zweiten Teil des Films als #allerbesterfreundaufderganzenwelt von Peter Parker vorgestellt wird, obwohl man von ihm keine Spur im ersten Teil sah. Die Darbietungen beider Hauptgegner (Rhino haben wir ja nun erfolgreich ausgeklammert) sind wirklich ein absolutes Desaster. Leistungen, die nur noch schlimmer wirken, wenn man bedenkt, dass sie absolut keine echte Funktion im Film haben, außer alle Schachfiguren auf dem Brett für den großen Twist am Ende zu positionieren (den jeder Comicfan eh schon kannte UND von den hunderttausend Trailern zuvor mehrfach angedeutet wurde).
vielleicht eine bessere Alternative..
Peters "Story" ist übrigens so stark von den Fieslingen separiert, dass man locker glauben könnte, die wären in einem komplett anderen Film - und dass sich ein gelangweilter Kinovorführer einen Spaß erlaubt, indem er zwischen zwei Kanälen hin und herschaltet. Ich muss jedoch zugeben, dass ich den Peter Parker Teil stellenweise wirklich mochte. In einer Szene beschützt Spider-Man einen kleinen Jungen vor Schlägern und repariert dessen Schulprojekt, während er ein wenig mit dem Kind abhängt und ihm sehr nette Worte mit auf den Weg gibt. So ein Moment lässt mich diesen Film jedoch eigentlich nur noch mehr hassen, da eine so aufrichtige Szene seinen Platz in einem besseren Film verdient hätte... Das gilt auch für die Szenen von Tante May, die frei nach der Tradition des schlechten Storytellings einen Subplot spendiert bekommt, der aufgegriffen und ab der mitte des Films wieder kommentarlos fallen gelassen wird. Im ersten Teil war das noch der böse Inder mit dem Klemmbrett, der offenbar nichts gutes im Schilde führte, jedoch nach exakt der Mitte des Films nirgends mehr zu sehen war. Hier darf Tante May für einen an sich sehr süßen Ansatz sorgen (sie macht eine Umschulung zur Krankenschwester, um mehr Geld für Peters College zu haben), der aber nach der Hälfte des Films nie wieder erwähnt wird. Eine Schande, dass man in Hollywood scheinbar tatsächlich noch Multimillionendollar-Blockbuster aus dem Boden stampfen kann, ohne dass einer das Drehbuch gegen liest.
Doch der ganze Film ist wirklich nur eine Reihe von Teilen, die nur lose zusammengehören. Electro könnte komplett aus dem Film herausgenommen werden, ohne dass man sonderlich viel am Rest ändern müsste. Das hätte übrigens auch der deutlich zu langen Laufzeit von über 2 Stunden gut getan. The Amazing Spider-Man 2 hat das mit Abstand schlechteste "Writing" was ich seit langem in einem Hollywoodfilm gesehen habe. Der komplette Film ist so zusammenhanglos und überfüllt, obwohl er nicht mal einen zentralen Plot hat. Die Drehbuchautoren Alex Kurtzman und Roberto Orci (welche sich wirklich nicht sehr oft mit Ruhm bekleckert haben), zeigen uns eine Szene nach der anderen, ohne dass man das große Ganze irgendwie Sinnvoll zusammengeschnürt hat. Und das ist bloß die Struktur! Der komplette Film ist so voll von faulen Dialogen die der Exposition dienen, dass man sich an den Kopf fasst, wie die damit durchgekommen sind? Hassen die Spider-Man? Sind Webb, Kurtzman und Orci die tatsächlichen Supervillains des Films? Beispiel: Nach Spider-Mans erster Konfrontation mit Electro, in der er mit Stromschlägen gegrillt wird, sehen wir einen Typen (einen ganz normalen Passanten!) in einem TV Interview erklären, dass Spider-Man nicht gestorben ist, weil sein Kostüm auf irgend eine Art und Weise mit Gummi verarbeitet war. WAS FÜR EINE PROFESSIONELLE PRODUKTION LÄSST SOWAS DURCHGEHEN? Ich habe keine Worte. Das war aber bei weitem nicht alles! Der Film hat andauernd so riesige Logiklöcher, dass man echt aufpassen muss wo man hin tritt. Peter Parker, welcher bereits im ersten Teil als Wissenschaftsgenie gezeigt wurde, muss sich im Film ein Youtube Video ansehen, welches ihm die Eigenschaften von Batterien erklärt. What the fuck?
Dieser Film ist keine Verfilmung eines Comicbuchs, sondern überspringt dies komplett und parodiert direkt einen Cartoon. Hier ergibt rein gar nichts Sinn, und nichts kann wirklich schocken. Wir wissen alle, dass Gwen Stacy am Ende stirbt. Das ist der einzige Grund, warum man in den Comics überhaupt von dieser Figur spricht! Es ist die einzige definierende Eigenschaft von Gwen. Sie stirbt. Das war von Anfang an klar. Es ist der bekannteste Moment der Spider-Man Comics. Den Schneid (oder die Kurzsichtigkeit) zu besitzen, und diesen Umstand als Mysterium anzuteasen, obwohl selbst Nicht-Comicleser wissen, dass Peter irgendwann ja aus irgendeinem Grund mit Mary-Jane zusammen kommt, macht mich fast schon wieder wütend...
Ist The Amazing Spider-Man 2 schlimmer als sein Vorgänger? Nein. Wo der erste Teil wirklich aus 100% purer Scheiße bestand, kann The Amazing Spider-Man 2 immerhin noch Spuren von Nüssen enthalten. Es gibt kleine Lichtblicke, die jedoch nur ansatzweise darüber hinwegtrösten, dass hier die komplette Basis der Spider-Man Figur völlig missverstanden wurde. Man kann in Comicverfilmungen eigentlich mit sehr viel durchkommen. Was jedoch gar nicht klar geht, ist den Helden in seinem Kern zu verändern. Spider-Man, der wohl größte und inspirierendste "Jedermann" der Welt, der Held der durch Zufall große Macht und große Verantwortung erhielt, der junge Mann von Nebenan, welcher jeder von uns sein könnte.. wurde im Reboot so furchtbar missverstanden, dass man heulen will. Die unendlich dämliche Idee, dass Peter Parker auserwählt wurde, um Spider-Man zu werden und NUR ER aus wackeligen genetischen Gründen dazu AUSERWÄHLT wurde, der Held zu werden geht so komplett gegen den Strich von allem, wofür die Figur jemals gestanden hat, dass man sich fast ein bisschen damit trösten könnte, dass man hier eigentlich gar nicht wirklich einen Film über den echten Spider-Man sieht.
Tut euch und eurem Portmonnaie einen Gefallen und spart euch das Geld. Captain America: The Winter Soldier läuft sicher noch irgendwo für n schmalen Euro, oder wartet noch 2 Wochen bis Godzilla anläuft. Spider-Man verdient euer Geld nicht. OOOOOODER ihr lest einfach mal eines der Comics :)
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