21.03.2014

Filmtipp: Face/Off - Im Körper des Feindes

Der chinesische Regisseur John Woo war besonders zur Mitte der 90er Jahre auch in Hollywood sehr gefragt. Das lag vor allem am von John Woo selbst revolutionierten Hongkong-Actionkino, welches zwischen 1985 und 2002 die wohl stärkste, nicht auf Kampfsport (man spricht hier auch gern scherzhaft von "Gun Fu") basierende Erfolgsserie verzeichnen konnte. Das war nämlich die Zeit, in der John Woo und zu ähnlichem Anteil auch Kollege Ringo Lam (City Of Fire, Replicant), das sogenannte "Heroic Bloodshed" Subgenre etablierten. 

Als Hollywood dann langsam Wind von den frischen Ideen des Regisseurs aus dem fernen Osten bekam, bewarf man ihn mit haufenweise Geld um auch in den USA Actionfilme in seinem Stil zu drehen. Daraus entstanden dann beispielsweise Filme wie Hard Target mit Jean-Claude Van Damme (der zu dieser Zeit noch ein angesehener Schauspieler war), Broken Arrow, Windtalkers, Mission Impossible 2 und Paycheck. Wohingegen gerade die beiden letztgenannten leider nicht sonderlich brillant waren (M:I:2 hatte teilweise Szenen, die gedreht wurden noch bevor ein Script fertig war), war John Woos wohl bester Hollywoodfilm ganz klar: Face/Off - Im Körper des Feindes...

Der bis dato wohl bekannteste Heroic Bloodshed/ Hongkong Action Film ist ganz ohne Zweifel der unfassbar großartige, ebenfalls von John Woo gemachte Hard Boiled von  1992. Der Film hatte, wie man sich das bei einem Genre welches "Heldenhaftes Blutvergießen" heißt vorstellen kann, einen unglaublich hohen "Body Count"(also die Zahl der im Film gestorbenen Menschen). Mit sage und schreibe 307 erschossenen Personen, innerhalb von 128 Minuten, ist das einer der Filme mit der meisten Action aller Zeiten. Nach Adam Riese wären das übrigens genau 2,4 Tote pro Minute (den Abspann nicht abgezogen!). Dennoch schaffte man es, eine mehr oder weniger solide Story zu erzählen. Vor allem durch Hauptdarsteller Chow Yun-fat (Bulletproof Monk, Tiger & Dragon, Fluch der Karibik), erlangte der Film besonderes Charisma und setzte konsequent alles um, was asiatisches Actionkino ausmacht. Auch viele Stilelemente, die später als John Woos Markenzeichen bekannt sein würden, fanden hier ihren Einsatz: Weiße Tauben, Spiegel und Standoffs mit mehreren Pistolen pro Person sind prominent vertreten. 

Doch was genau ist an Heroic Bloodshed jetzt so anders, als an andere n Actionfilmen, wie zum Beispiel Stirb Langsam oder der gelegentliche Jason Statham Kracher? Nun, das Subgenre zeichnet sich hauptsächlich durch immens viele Schusswechsel mit Handfeuerwaffen, Antihelden als Hauptfiguren und in viel Pathos (Ehre, Bruderschaft, Rache) getränkte Storys aus. Meist sind die sehr theatralischen Handlungen völlig übertrieben, fast sogar opernhaft mit rythmischer Gewalt verknüpft. Ich denke, man muss sich diese Filme einfach selber mal ganz genau anschauen, um nachvollziehen zu können, was den Reiz an diesen Adrenalin-Entladungen ausmacht.


Doch wie lässt sich sowas mit einem westlichen Actionfilm verbinden? Face/Off will schließlich sowohl den US Markt erobern, als auch dem Hongkong Actionkino in nichts nachstehen! Nun, zunächst einmal castet man in den Hauptrollen zwei der wohl verrücktesten Schauspieler Hollywoods. Nicholas Cage und John Travolta. Das ist sicherlich bereits die halbe Miete, doch auch der Plot dieser Actionperle der 90er Jahre weiß durch Originalität zu überzeugen. Ganz nach der oben erwähnten Schablone bekommen wir hier 2 Anti-Helden, welche durch gewisse Ereignisse eine starke persönliche Bindung zueinander haben. Terrorist/Killer Castor Troy, gespielt von Nicholas Cage, war es nämlich, der den Polizisten Sean Archer, gespielt von John Travolta, ermorden wollte - jedoch bei dem Versuch nur dessen kleinen Sohn erwischt. So setzt Sean Archer einen persönlichen Rachefeldzug gegen Troy in Gange, der nach vielen Jahren dann  auch scheinbar endlich zu funktionieren scheint: Archer fasst Troy und scheint gesiegt zu haben - wird aber kurzum vor einer noch schwereren Aufgabe gestellt. Terrorist Troy plant nämlich, eine Bombe in Los Angeles hochgehen zu lassen, lässt aber offen wo. Um jedoch an diese Information zu kommen und das Leben von Millionen Menschen zu retten, konfrontieren einige Wissenschaftler Archer mit einer neuen Technologie, die es ihm erlaubt, auf sein Gesicht das von Troy zu setzen und somit als Troy getarnt den Standort der Bombe zu erfahren. Ein kleines hin und her führt dann ab einem Wendepunkt im Film dazu, dass Sean Archer, welcher nach der jahrelangen obsessiven Jagd nach seinem Gegner am meisten über diesen weiß (und deshalb die Rolle am überzeugendsten spielt), mit dem Gesicht von Castor Troy herumrennt, und Castor Troy sich das Gesicht von Sean Archer auftragen lässt. Eine völlig neue Ausgangssituation bringt also die beiden Hauptdarsteller dazu, ihre Rollen zu tauschen. Nun ist es Travolta, der den vollkommen verrückten Terroristen mimt und Cage den besorgen Polizisten darstellt. 

Nicholas Cage zeigt uns hier definitiv einer seiner extravagantesten Performances. Man muss hier bedenken: als Face/Off - Im Körper des Feindes im Jahre 1997 erschien, war Cage noch eine richtig große Nummer. Einer der größten (wenn nicht sogar DER Größte) Actionstars in Hollywood hatte gerade in dieser Zeit einen Blockbuster nach dem anderen (und wurde auch stets für neue Produktionen automatisch in Erwägung gezogen). Hier allerdings sah man schon sehr deutlich, wohin die Reise bald gehen würde: Cages "Overacting" überstrahlt hier eindeutig alles, was man zuvor von ihm gesehen hat und ist auch sicherlich heute noch ein ganz besonderer Grund, diesen Film seiner Sammlung hinzuzufügen. 

Auch John Travolta, der heutzutage leider eher als laufender Witz gesehen wird, gibt hier wirklich 110%, um mit dem von Nicholas Cage vorgegebenem Tempo mitzuhalten. Das klappt auch relativ gut, obwohl er natürlich deutlich weniger Gelegenheit hat, so richtig durchzudrehen. Viel erwähnenswerter ist hier definitiv die Action. Selten wird in einer so teuren Filmproduktion So wild um sich geschossen, SO viel in die Luft gejagt und SO wenig Sinn ergeben. Doch genau so muss es auch sein, denn wer heutzutage noch wirklich stumpfes Actionkino sehen will, wird beim Produktionsjahr nach 2001 ganz einfach nicht mehr fündig. Zumindest nicht, wenn man von Filmen mit einem so großen Budget wie Face/Off spricht. 

Face/Off macht einfach Spaß, fasst das übertriebene Action-Kino der 90er Jahre bis auf den letzten Punkt perfekt zusammen und findet durch die Körpertausch-Dynamik sogar noch einen ernsthaft interessanten Twist in die Story. Das coole daran ist übrigens, dass diese Form der Gesichtstransplantation 1997 tatsächlich noch ein rein fiktionales Konzept war. Etwas vergleichbares klappte nämlich erst im Jahre 2010 einem spanischen Chirurgen. Doch unter all der "Looney Tunes" Gaganess und der überschwänglichen Gewalt, versteckt sich tatsächlich noch ein wirklich großartiger Film, an dem man sich noch lange erinnert, nachdem man ihn gesehen hat. Er ist spannend, rasant und voll mit Zitaten, die in jeder Stammtisch-Runde Anwendung finden könnten. Natürlich bekommen wir von John Woo auch genug von allem, was ihn ausmacht: Unzählige weiße Tauben und mehrere Standoffs mit extravaganten Pistolen. Einer davon sogar durch einen Spiegel getrennt. Wer also Action in seiner reinsten Form mag, wird hier eindeutig sehr viel Freude haben.

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