27.06.2014

Review: Snowpiercer

Ein post-apokalyptischer, sozialkritischer Science-Fiction Film mit guten Schauspielern, basierend auf einem relativ unbekannten Comicbuch? Ich glaube noch einfacher kann man sich meiner Aufmerksamkeit wohl kaum habhaft machen. Der südkoreanische Regisseur Bong Joon-Ho (The Host) scheint da ähnlichen Geschmack wie ich zu haben, da er nachdem er die Comicreihe zu Snowpiercer fertig las, mit aller Kraft versuchte, eine Verfilmung auf den Weg zu bringen. Einige Jahre später kommt eben dieses Werk nun auf der ganzen Welt in die Kinos. 

Mit dem Slogan "Fight your way to the front" gibt man dem Zuschauer nicht nur eine kleine Marschrichtung an, die der Film einschlagen wird, sondern gibt uns auch direkt die eigentliche Prämisse mit auf den Weg. Hier geht es um Leben und Tod, im Kampf zwischen arm und reich. Ob der Film diesem stehts brisanten Thema neue Akzente verleihen kann und ob Hauptdarsteller Chris Evans (Push, Captain America, Avengers) in der Lage ist auch außerhalb von Superhelden-Verfilmungen eine gute Figur zu machen, erfahrt ihr im folgenden Review!

Der südkoreanische/amerikanische Spielfilm Snowpiercer ist einer dieser Filme, die dich, lange nachdem du sie gesehen hast, immer noch verfolgen. Ich sah den Film Ende Mai und kam erst jetzt dazu, all die Gefühle, die der Streifen in mir ausgelöst hat zu virtuellem Papier zu bringen. Wenn du die Eindrücke eines Filmes einen ganzen Monat mit dir herum schleppst, obwohl du zwischenzeitlich zig andere gesehen hast, dann kann man eindeutig sagen: der Film hat einiges richtig gemacht. Und Snowpiercer hat verdammt viel richtig gemacht. So viel sogar, dass ich dem Regisseur Bong Joon-Ho ohne Zweifel eine großartige Karriere voraussagen kann. 

Der Film selbst wirft uns in eine post-apokalyptische Zukunft, in der ein fehlgeschlagener Versuch die globale Erwärmung aufzuhalten, stattdessen zu einer neuen Eiszeit führte. Diese Eiszeit umschloss den gesamten Planeten und tötete alles Leben auf ihr. Alles, bis auf eine Schar von Menschen, die sich in den High-Tec-Zug "Snowpiercer" retten konnten. Ein gigantischer Zug, welcher Entwickelt wurde, um jeder Witterung zu widerstehen. Im Film wird erklärt, dass der Zug sich bereits seit vielen Jahren ununterbrochen in Bewegung befindet und dabei schon mehrfach den Planeten umkreist hatte. Natürlich stößt man dann trotz der stattlichen Größe und Länge des Zuges  auf einige Probleme. Gibt es genug Platz für die Menschen, die sich natürlich auch über die Jahre vermehren. Gibt es überhaupt genug zu Essen? Und wer hat eigentlich das Sagen? Schnell wird klar, dass sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gebildet hat, bei der die Reichen am Kopf des Zuges in ihrer dekadenten Lebensweise nur zu gerne auf die Bedürfnisse der Armen scheißen, während die Armen hungernd am Ende des Zuges zusammengepfercht wurden. Natürlich versuchen diese, sich regelmäßig aus ihrer Misere freizukämpfen - leide meistens ohne Erfolg, da sie bisher stets auf brutalste Weise zurückgeschlagen wurden. 

Anführer einer dieser Aufstände ist der geheimnisvolle Curtis, welcher sich Mutig der Unterdrückung entgegenstellt. Gespielt wird dieser von Chris Evans, welcher hier jeden Zweifel darüber aus dem Weg räumt, lediglich in leichtherzigen Rollen glänzen zu können. Evans spielt hier einen so brillant in Grautöne gehüllten Menschen, über den wir im Laufe des Filmes immer mehr erfahren. Snowpiercer zeigt hier auf so gnadenlose Art und Weise die grauenhaft tiefen Abgründe jenseits jeglicher Menschlichkeit, dass ich mich auch noch Wochen später an jede Szene erinnere, die mir den Atem raubte. Alle beteiligten Schauspieler geben hierfür wirklich alles. In weiteren Rollen sehen wir die brillante Tilda Swinton (The Grand Budapest Hotel, Constantine), Jamie Bell (Jumper, Nymph()maniac, Ein Riskanter Plan), John Hurt (Melancholia, Harry Potter Reihe), Ed Harris (Pain & Gain, A History Of Violence) und Song Kang-Ho (The Host), die dem Zug den nötigen Charakter verleihen. Dennoch ist Snowpiercer ganz klar Chris Evans Film. Speziell das fesselnde Ende, in dem uns Curtis in einer verstörenden Beichte die Anfänge der Katastrophe erläutert, lässt jedes Haar auf dem Nacken des Zuschauers hochstehen. 

Doch natürlich besteht der Film aus noch mehr Teilen, außer der fesselnden Story und den guten Schauspielern. Nicht alle davon sind leider auf dem hohen Niveau, wie man es sich erhofft haben könnte. So real und treffend die Darsteller zwar sind, so unglaubwürdig bleibt leider der Zug selbst. Obwohl die Abteile durchgängig sehr schön designed wurden, hat man hier leider nie einen wirkliches Gefühl für die eigentlichen Größe der Maschine. Mal wirkt sie riesig, mal wirkt sie winzig. Ständig wirft diese Ungenauigkeit leider wie umfallende Dominosteine andere Fragen auf. Wo schlafen die Leute? hat man nun auf dem Weg bis an die Spitze diverse Wagons übersprungen? Warum sieht man verhältnismäßig so wenige andere Überlebende? Klar, das Konzept selbst ist hier als eine große Metapher gemeint und sollte auch unbedingt als solche erkannt werden, hätte aber dennoch an mancher Stelle etwas plausibler dargestellt werden können. Auch die Actionszenen (von denen es im Grunde zwar genügend, jedoch nicht so viele wie erwartet gibt), schwanken in der Qualität der Choreografien zwischen innovativ/einfallsreich und minimalistisch/trocken. 

Insgesamt ist Snowpiercer jedoch eine phantastische Erfahrung, die man unbedingt gesehen haben sollte. Von den unzähligen philosophischen Denkspielen über die aufgeworfenen Ethik-Fragen und der aufregend designeten und geschnittenen Zukunftsvision bekommt man hier ein Filmerlebnis serviert, welches man definitiv noch lange mit sich herumschleppen wird. Der Film gilt als so schwer zu verdauen, dass er zu seinem US-Kinostart sogar um einige Elemente geschnitten werden sollte, da das Amerikanische Publikum negativ auf den hoffnungslosen Unterton der Geschichte reagierten (das kam zum Glück nicht durch und der Film wird auch dort in seiner Originalfassung gezeigt). 

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